Gekränkter Mensch

Es ist ja schon eine ganze Weile her, seit die Menschheit so richtig in ihrem Stolz gekränkt wurden, jedenfalls im christlich-abendländischen Kulturkreis und davon wohl die Allermeisten. Eigentlich noch schlimmer, es war eine Attacke auf ihr Selbstverständnis und damit auf ihr Selbstwertgefühl! Es war der Astronom Nikolaus Kopernikus, der mit seiner Feststellung, dass der Mensch beziehungsweise die Erde eben nicht im Mittelpunkt des Kosmos steht, für diesen Thronsturz sorgte.

Was für ein Affront! Die Erde und mit ihr der Mensch sollte nicht mehr im Zentrum des Universums stehen? Ungeheuerlich! Aber genau so ist es den Menschen vorgekommen, denn ihr Weltbild wurde zerstört. Kopernikus selbst ist der Verfolgung durch die Kirche wohl nur dadurch entkommen, dass er seine Erkenntnisse in schwieriger Mathematik versteckte. Sein Glück war vielleicht auch dass das die Kirche, sofern einer der geistigen Herren ihn verstanden hatte, damals seine Erkenntnis eher für lächerlich als für lästerlich hielt. Schließlich konnte doch jeder vernünftige Mensch sehen, wie tagsüber die Sonne und nachts Mond und Sterne über den Himmel wandern!

Als ob das nicht schon genug gewesen wäre! Da kam zu Beginn des 18. Jahrhunderts Charles Darwin daher und meinte doch tatsächlich, dass sich die Menschen eher zufällig wie die Tiere entwickelt hätten! Dahin war es mit der Überlegenheit des Menschen! Wobei man aber doch feststellen muss, dass scheinbar einige, wenn nicht sogar der viele geistig noch immer im im 17. Jahrhundert leben, denn sie fühlen sich der übrigen Welt noch immer als überlegen. Wir haben es ja noch nicht einmal geschafft, das in unserer Sprache umzusetzen. Wir sprechen immer noch von Umwelt, als gäbe es eine Welt um uns herum und reden wir von Natur, meinen wir in den seltensten Fällen uns selbst!

Und dann kam auch noch Sigmund Freud dazu, der uns allen Ernstes zu erklären versuchte, dass wir nicht Herr im eigenen Haus seien und wir unsere Entscheidungen nicht durch die Kraft der Vernunft fällen. Ins gleiche Horn stoße dann noch Benjamin Libet, der mit seinen Experimenten nachgewiesen hat, dass das mit dem freien Willen so eine Sache ist. Jedenfalls müssen wir entweder die Überzeugung aufgeben, dass wir einen freien Willen haben, wollen wir an unserem Weltbild festhalten. Oder aber wir geben das Weltbild auf und sehen uns ganz anders.

Kurz gesagt, was bisher als gesichert galt, gilt nicht mehr absolut. Jetzt langt es aber, möchte man da denken! Doch nein, jetzt kommen schon seriöse Zeitschriften wie das Geo Magazin daher und fragen „Was ist wirklich?“ und nicht nur wie Paul Watzlawick „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“, was einem ja wenigstens ein paar mentale Schlupflöcher gelassen hatte! 

Fakt ist, die Erkenntnisse der Quantenphysiker hat nur circa 100 Jahre nach Kopernikus alles noch mal ordentlich auseinander genommen. Jetzt soll es nicht einmal mehr irgendetwas Stabiles in der Welt geben?! Keine Materie, nur ein prozesshaftes Geschehen? Aber der Stuhl, auf dem ich sitze, der ist doch stabil, oder? Relativ würde mir dann ein Physiker antworten und nachdenklich schauen.

Jedenfalls ist das definitiv die letzte Kränkung, die wir Menschen erfahren mussten. Nur es ist ja auch eine Chance, bedenkt man, was nach Kopernikus, nach Darwin, nach Freund nach der Quantenphysik (technisch)auf einmal alles möglich war! Fortschritte, an die man davor nicht einmal im Traum gedacht hätte! Wenn wir jetzt die Erkenntnisse der Quantenphysik auch noch philosophisch fassen könnten – was wäre uns da alles möglich! Wir würden, jedenfalls ist das meine Überzeugung, ein neues Kapitel in der Menschheitsgeschichte aufschlagen.

Also hören wir auf zu jammern und zu klagen, sondern krempeln die Ärmel hoch und machen uns an´s Denk-Werk!