Denken durch NichtDenken

Wie unterscheidet sich das von „normalem“ Denken? „Eigentlich“ weiß das jeder, nur es ist uns in der Regeln nicht bewusst. Begriffen habe ich das – lachen Sie nicht – mit dem oder bei dem Motorradfahren.

Wenn jemand einigermaßen gut Motorradfahren will, muss er sich beim Fahren in einem Zustand befinden, der allgemein als Flow bezeichnet wird. Solange man bewusst darüber nachdenkt, wie man am besten fährt, fährt man sicher nicht gut. Keine Chance.

Wer nicht Motorrad fährt, kann das an einer beliebigen Tätigkeit selbst herausfinden, vorausgesetzt die Flow-Kriterien sind erfüllt:

    • Die Schwierigkeit der Aufgabe und die eigene Lösungskompetenz befinden sich im Gleichgewicht.
    • Die Aufmerksamkeit ist auf ein begrenztes, überschaubares Handlungsfeld konzentriert.
    • Der Handlungserfolg wird unmittelbar erkennbar.
    • Handeln und Bewusstsein verschmelzen miteinander, eine Außenwelt existiert nicht, man geht ganz in seiner Tätigkeit auf.
    • Das Zeitgefühl verändert sich, man lebt ganz im Hier und Jetzt.
    • Die Tätigkeit selbst ist Lohn genug, es bedarf keines Lobes von außen.

Ich setze im weiteren voraus, sie kennen das Flow-Gefühl. Sollten Sie, denn Kinder kennen es allemal. Also zurück zu den Motorradfahrern. Wenn ich mit Gruppen unterwegs bin, fällt mir immer eins auf: Fahren wir zügig, befindet wir uns fraglos im Flow und damit auch im Zustand des NichtDenkens.

Doch sobald wir anhalten, bewegen sich die allerwenigsten weiter im Flow. Das heißt, sie fallen ganz selbstverständlich zurück in das „normale“ Denken, als sei das die korrekte Art des Denkens. Damit stellt sich erst einmal die wesentliche Frage: Was ist der Unterscheid zwischen dem normalen Denken und dem Denken durch NichtDenken?

Das Entscheidende ist, dass es dann keinen Beobachter mehr gibt, ich also den Prozess selbst nicht beobachten kann, weil ich selbst dieser Prozess bin. Wobei hier auch der Hinweis angebracht ist, dass es sich dabei um ein sprachlich erforderliches „ich“ und kein „Ich“ handelt, das aus sich selbst heraus existiert.

.Im Flow nehme ich wahr, was ist, aber ich beobachte, bewerte und beurteile nicht. Im „normalen“ Denken beobachte, bewerte und beurteile ich jedoch – und schaffe damit das Problem, mit dem ich mich dann beschäftige.

Indem ich also weder beobachte, noch beurteile oder bewerte, mache ich Platz für eine unvoreingenommene Sicht auf die Dinge. Ich bin, was sich in mir ereignet. Kommt mir beim Motorradfahren eine Auto auf meiner Fahrbahn entgegen, beobachte ich das nicht, sondern nehme es wahr. Ich beurteile oder bewerte diese Tatsache auch nicht, sondern reagiere entsprechend.

Übertrage ich das auf mein Leben, dann bedeutet das, dass ich nur dann angemessen und situationsgerecht auf die Ereignisse in meinem Leben reagieren kann, wenn ich mich im Zustand des NichtDenkens befinde, also nicht beobachte, bewerte und beurteile, sondern nur wahrnehme, was ist.

Dazu gibt es ein hochinteressantes Zitat von Sophie Scholl: „Man muss etwas machen, um selbst keine Schuld zu haben, Dazu braucht es einen harten Geist und ein weiches Herz. Wir haben all unsere Maßstäbe in uns selbst, nur suchen wir sie zu wenig.“

Ich denke, sie beschreibt mit „hartem Geist“ und „weichem Herz“ klares Denken durch NichtDenken und wirkliches Mitgefühl; Dinge, die wirklich notwendig sind.